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15. Oktober 2018 — Neumayer Ethics Council

Sunzi und die 4 Key Indikatoren der angemessenen Risikokultur - Blog 3

Offene Kommunikation und kritischer Dialog

Wenn wir im dritten Teil dieser Blog-Miniserie den nächsten Key Indikator der angemessenen Risikokultur – nämlich: „Offene Kommunikation und kritischer Dialog“ – im Horizont von Sunzis Kunst des Krieges hinterfragen, so stolpern wir zunächst über das Wort „offen“. Sagt Sunzi doch ganz klar, „dass jede Kriegsführung auf Täuschung gründet“.  Die Offenheit der Kommunikation kann sich also höchstens auf die interne Kommunikation beziehen, denn nach aussen hin darf und soll aus taktischen Gründen der Feind soweit wie möglich verwirrt und in die Irre geführt werden; insbesondere durch den geschickten Einsatz von Spionen. In die moderne Business-Ethik lässt sich dieses Prinzip nur bedingt übertragen, wenn wir uns nicht dem Vorwurf der Marktmanipulation etc. aussetzen möchten. Gerade börsennotierte Finanzunternehmen sind zur Informationstransparenz verpflichtet. Die taktische Täuschung passt da nur schwer ins Bild. Wie sieht es nun aber mit der offenen Kommunikation nach innen aus? Schon im letzten Blog haben wir von Sunzi gelernt, dass es die Schuld des Generals ist, wenn die Kommandoworte und Befehle von den Offizieren nicht klar verstanden werden. Die Risikovorgaben müssen also ganz klar und verständlich sein. Auch stellt der General, der eine Schlacht gewinnt, im Geiste vorher viele Berechnungen an: Simulationen und Szenarioanalyse. Wieder einmal ist Sunzi aktueller denn je: 
„So führen viele Berechnungen zum Sieg und wenige Berechnungen zur Niederlage – überhaupt keine erst recht!“ Wie wahr...

Um den „tone from the top“ gut hörbar zu machen, bedarf es der offenen Kommunikation, denn „auf dem Schlachtfeld dringt das gesprochene Wort nicht weit genug; deshalb werden Gongs und Trommeln benutzt. Ebensowenig sind gewöhnliche Gegenstände sichtbar; deshalb werden Banner und Flaggen benutzt.“ Die Risikokultur kann nur dann nachhaltig etabliert werden, wenn es in Unternehmen solche Banner und Flaggen gibt. Dazu gehören beispielsweise ansprechende e-Learning Tools ebenso wie ausgebildete Mentoren und Botschafter der Risikokultur. Workshops, Seminare und Einzeltraining für Spezialisten und Projektverantwortliche: Dies sind alles Mittel zur internen Kommunikation und Entwicklung der Risikokultur. Risikofragen müssen in einem kritischem Dialog geklärt werden können: Das englische Stichwort in diesem Zusammenhang heißt deutlicher „challenge“. Und das bedeutet: Nicht einfach Geschäfte oder Prozeduren abnicken, sondern hinterfragen und nötigenfalls widersprechen. „Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten.“ Der Feind muss nicht zwangsläufig der Konkurrent oder das Marktumfeld sein – auch interne Feinde müssen entlarvt werden. Und dazu gehören mitunter auch ach so liebgewonnene und eingespielte Prozeduren. Der kritische Dialog muss von allen Beteiligten stets wohlwollend und mit dem gemeinsamen Ziel vor Augen geführt werden. Den Manager warnt Sunzi: „Du hast keinen Erfolg, wenn deine Männer nicht standhaft und im Willen geeint sind; vor allem müssen sie von einem Gemeinschaftsgefühl beseelt sein.“ Der offene Umgang mit dem Risiko erfordert aber auch angemessenen (!) Mut. „Unglücklich ist das Schicksal jener, die versuchen, ihre Schlachten zu gewinnen und ihre Angriffe erfolgreich zu führen, ohne dass sie den Wagemut fördern, denn das Ergebnis ist Zeitverschwendung und allgemeiner Stillstand.“ Vielleicht verstehen wir so ein bisschen besser, was das Wörtchen „angemessen“ im Zusammenhang mit der Risikokultur bedeuten könnte.


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